Kleider machen Bräute

So fühlt es sich also an: die Verstofflichung der Gedanken im wahrsten Sinne des Wortes.

Da saß ich nun also gestern abend tatsächlich in den Altbau-Räumlichkeiten einer Schneiderin und hielt das erste Mal ein Stück Stoff in der Hand, das in einem halben Jahr hoffentlich für Schnappatmung oder zumindest einem breites Grinsen bei meiner Zukünftigen sorgen wird. Das Hochzeitskleid. Dass ich mir allerdings dort einmal derart intensive Gedanken drüber machen würde und es auch noch mit einem ständigen, leicht grenzdebilen Grinsen tun würde, hätte ich wirklich nicht gedacht. Aber hey, manchmal lernen eben auch Fische das Fahrrad fahren.

Zurück aber zum Geschehen. Mit Begriffen um sich werfend wie – Gott, ich kann die noch nicht einmal wieder geben – entstand vor ihrem geistigen Auge nun also ein Kleid. Ich war allerdings versucht, für jeden Begriff, den ich nicht verstand, ihr einfach ein Marketingwort entgegen zu schleudern: „und dann lassen wir es unten in Godet-Form auslaufen“ – jaja, Below-the-Line-Marketing, „oder wir nehmen Doupion-Seide…“ – ha, ich nehm nen TKP – Touché!

Mein Grinsen wurde also mit jeder Minute breiter, in der das Kleid in ihrer Fantasie wuchs. Wagen wir also an dieser Stelle einen Kopfsprung – oder eher eine Arschbombe – mitten in die Klischeekiste: Da werde ich nun also in nicht allzu ferner Zeit auf einem geschmackvoll aufgearbeiteten Sofa sitzen und mit Muddi (denn die darf natürlich nicht fehlen) und meiner Schneiderin beraten, in welches Kleid ich mich nun also stecken lasse. Meine Mum wird mir sämtliche Farben des Regenbogens vorschlagen (vornehmlich orange), die Schneiderin wird versuchen, so viel Avantgarde wie möglich in meinem Kleid unterzubringen und ich werde versuchen, nachher nicht wie eine kleines Bonbon auszusehen.

Wir lassen uns überraschen 🙂

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Fuck that shit! I am going to Narnia

Was kann einen erfolgreichen Freitag, an dem man mal wieder alles aus seinen Kunden und dem eigenen Portfolio geholt hat, noch so richtig versüßen?

Richtig, eine Reise mit der Deutschen Bahn!

Man bemüht sich natürlich die Projekte so zu finalisieren, dass sowohl der Kunde als auch man selbst beruhigt, glücklich und vor allem zeitnah ins Wochenende starten kann, denn vor einem liegen, so glaubt man, 5 1/2 Stunden purer Entspannung in denen man noch ein mal über Briefings und Abschlüsse sinniert, das Hörbuch weiter als 5 Minuten hört, natürlich im Skript der Uni blättert und fleißig unterstreicht und gemütlich von einem Ort zum nächsten geschaukelt wird.

Versucht man selbst auch enge Timings zu halten, so ist das der Bahn ziemlich schnurz! Das ist nichts Neues. Man schlürft also noch eben mit den Kollegen den freitägigen Prosecco, um dann im Eiltempo zum Bahnhof zu rennen. Man füllt den Getränke- und Essensvorrat auf, kauft sich eine schlaue Zeitung, die man eh nicht lesen wird, weil man ja wie bereits erwähnt andere essenzielle Dinge vor hat und drängt sich durch die Massen gesichtsloser Touristen, die, völlig überwältigt von der Glanzleistung des Bahnhofsarchitekten, an die Decke glotzen. Endlich erreicht man das rettende Gleis und darf dort feststellen, dass man wieder auf die andere Seite und somit zu einem anderen Gleis muss. Bis hierhin ist alles recht unspektakulär, wenn auch schweißtreibend.

Die Bahn kommt, zu spät, aber sie kommt. Die Massen und Gerüche mit ihr. Die Ähnlichkeit meines ICEs mit der U3 an einem Samstag gegen 3Uhr ist verblüffend. Ich schließe mich also schnell in meinem Abteil ein wo auch schon eine alleinerziehende (über das mit dem Erziehen lässt sich bekanntlich streiten) Mutter mit ihren beiden Söhnen auf mich wartet. Ebenso erfreulich ist die Blondine, die mit ihrem iPad Mini mir gleich gegenüber sitzt. Ich mache es mir bequem und freue mich über meine Entscheidung, das Haus heute morgen nur mit einem Pulli verlassen zu haben.
Die kuscheligen 28 Grad (Kinder brauchen es warm, die müssen wachsen – kennt man ja aus Gewächshäusern!) stimmten mich also schon auf eine wundervolle Fahrt ein. Der Sohn, der mit Wollmütze neben mir sitzt und in Wahrheit ein Mädchen ist, wie sich mir später erschloss packte auch gleich die Grillwürstchen aus. Die Familienpackung Wiener verteilte sich nicht nur geruchstechnisch im Abteil sondern wurde natürlich mit der restlichen Familie geteilt.

Meine äußerst intellektuell anmutende Sitznachbarin gegenüber bestätigte auch gleich meine Oberflächlichkeit, indem sie kurzer Hand ihre LIFT-Apfelschorlenflasche als Mittelpunkt eines Shootings mit ihrem 3er iPhone mit Tigeroptik inszenierte. Wenigstens bleibt sie beim Apfel.
Ich versuchte mich also konzentriert auf meine Lektüre zu stürzen, als Mutter und Sohn das Abteil verließen und besagte Tochter anfing sich mit sich selbst zu unterhalten. Warum auch immer versuchte ich Blickkontakt mit der Apple-affinen Katzenberger von gegenüber aufzunehmen, um zu bestätigen, dass das nicht nur ein schlechter Scherz sondern nach 20 Minuten Fahrt einfach zu viel des Guten war.
Vergeblich. Als der Teenie dann neben dem Selbstgespräch auch noch eine Performance der besonderen Art vorführte (ich mag Cover, aber ich gehöre einfach nicht zur Zielgruppe von Caspar und Co!) wollte ich schon meinen bezahlten Sitzplatz gegen den Fußboden im Gang eintauschen. Aber ich hatte Glück, denn sie verließ auf einmal das Abteil, um sich vor die Scheibe im Gang zu stellen und sich Fingern schnipsend in der Spiegelung der Scheibe zu begutachten. Selbstkritik ist bei einer Choreographie alles!

Mutter und Sohn kehrten von ihrem Rundgang zurück und packten zu meiner Freude den Curryketchup und die Frikadellen aus. Ich kann es wirklich nachvollziehen, dass man nach einer Stunde Fahrt (vielleicht auch 2, wenn sie schon seit Kiel im Zug sitzen) völlig ausgehungert und zu Tode gelangweilt ist. Aber nicht im meiner Nähe bitte!

Während im Hintergrund Mini-Eminem probt, werden im Abteil von der anderen Hälfte der Chromosomen-Mischung die aktuellen Horoskope vorgelesen. Krebs – heute ist Ihr bester Tag! Der Nachmittag bringt Ihnen Freude auf der Arbeit und Sie können etwas voran treiben. Ihren Abend verbringen Sie mit Kindern. – Ich mache keine Witze! Ich verkneife mir ein hysterisches Kichern.

Ich möchte eigentlich die ganze Zeit fragen „Haben Sie die schon länger? Wenn nicht, dann haben sie sicher ein Rückgaberecht und wenn sie die online gekauft haben, dann sogar 4 Wochen lang!“ Aber ich halte mich zurück, verzichte auf diese Zusatzinformation und notiere mir im Geiste, dass wenn unsere Kinder wider aller Erwartungen so werden sollten, wir niemals mit ihnen Zug fahren.

Immerhin ist jetzt schon eine Stunde rum – ich habe nur noch knappe 3 Stunden vor mir bis zum Zugwechsel und ich kann auch nur zwei Rucksäcke erkennen in denen sich eventuell noch Brote mit Harzer-Rolle oder die Bifi-BigBox verstecken könnten.

Erkenntnis des Tages:
Ich hätte vorhin definitiv mehr Prosecco trinken sollen! Und ich freue mich unendlich auf meine geliebte Frau, meinen Löwen. Meine tollen Schwiegereltern und das Wochenende!

Von Hannelore bis Lady Di

Da sitzt man nichts ahnend im Regio auf dem Weg nach Hamburg, der Tag schon sehr lang, die Fahrt noch länger, die Laune prächtig.

Und da geschieht es wieder: trotz riesen „fuck off“ auf der Stirn und strategisch sinnvoll platzierter Laptoptasche lässt sich neben mir nun die blondiere Endvierzigerin nieder. Nennen wir sie Magdalena.
Der Sechser im Lotto…
Und dann kommt die Zusatzzahl: nennen wir ihn Frank. Der Gute ist Anfang 50 und tätig in der hiesigen Versicherung, macht ein bisschen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Und Frank möchte plaudern. Das findet Magdalena super.

Ich verkrieche mich dann mal hinter meinem Steven King Roman. Aber nichts da! Obwohl gerade von epileptischen Anfällen, vollurinierten Hosen und panischen Menschen die Rede ist, schweifen meine Ohren und schließlich meine Aufmerksamkeit zu dem platonisch-innigen Pärchen zu meiner linken.

Zur Erklärung: Redeanteil Magdalena 99%, Frank 1%, was sich eigentlich auf gelegentliches „Hm“ beschränkt, natürlich ein total verständnisvolles „Hm“!

Der Seelenstriptease nimmt seinen Lauf.
Nach 5 Minuten: Magdalena erzählt praktisch dem ganzen Waggon von ihrer Affäre mit ihrem nun wieder verheirateten Ex-Mann (jaja, Schuster, bleib bei deinen Leisten). Mir fällt fast das Buch aus der Hand.
Nach 7 Minuten (die Frau redet schnell): es geht weiter mit dem Vergleich ihres vergangenen Ehelebens mit Lady Di und Hannelore Kohl – ich glaube jedoch, dass in Magdalenas Geschichte die Hauptfiguren noch leben…
Nun fallen mir vor Schreck fast die Kontaktlinsen aus den Augen. Wofür ich eigentlich dankbar bin, vielleicht kann man die in die Ohren stopfen.
Nach 10 Minuten: die Vertrauensbasis zwischen Magdalena und Frank scheint nun mehr als innig, es wird also Zeit für wichtige private Geständnisse.
Sie stellt sich nun bildlich und sprachlich vor, wie ihr Leben als Gala-Artikel aussehen würde. Welcher Promi sich da noch eine Scheibe von abschneiden könnte und wer sowieso eigentlichen nix drauf hat.

Ich kapituliere fast, das ist schlimmer als „Mitten im Leben“ mit Frau von der Leyen als Hauptdarstellerin.
Doch dann kommt der beste Satz, gerade als ich meine Buchseiten herausreißen und als Oropax benutzen wollte…
Magdalena:“hach, wenn Sie, lieber Frank, irgendwann mal ihre Memoiren schreiben, gibt es sicher ein Kapitel über unsere Begehung im Zug.
Und überhaupt… wie verrückt wäre das, stellen Sie sich mal vor, wenn jemand die Geschichten aus der Bahn aufschreiben würde.“

Vom Idealen und den Idealen

Es ist in etwa so wie die Grundsatzfrage am Sonntag morgen: süß oder herzhaft? Bestreiche ich mein Brötchen zärtlich mit einer nicht allzu dicken Schicht Nutella oder brate ich mir doch eher das ordentliche Spiegelei, in der Mitte noch weich – versteht sich von selbst.

Aber anstelle sich zu fühlen wie das Gelbe vom Ei, ist es eher die weiche Konsistenz der Mitte, mit der eine Identifikation zum gegenwärtigen Zeitpunkt an wahrscheinlichsten erscheint.
Nach einer ereignisreichen Weltreise fühlte man sich nun endlich angekommen im Traumjob. Locker ein paar hundert Bewerber ausgestochen und somit breit grinsend einen riesen Schritt ins Berufsleben gemacht, erschien mir doch alles rosiger als der Schonbezug meiner Großmutter.
Und dann merkt man, dass A nicht gleich A ist und B schon eher wie Y denn wie C. Wovon ich rede? Das weiß ich oft selbst nicht so genau…
Vom schnöden Mammon, der breit grinsend hinter dem nächsten Gehaltsscheck lockt, ebenso wie die Aussicht auf eine steile Karriere. Große Autos und noch größere Wohnungen sind eine feine Sache. Die Liebste mit Geschmeide und Schuhen überhäufen ist auch wirklich nicht zu verachten.
Da ist es, das Ideale. Der Lebensweg, wie er immer erträumt wurde, nun nicht nur greifbar, sondern schon in Geruchsnähe.
Und dann kommt die Frage, ob man die schwere Süße des Chanel-Parfums wirklich auf seiner Haut haben will oder lieber in der Parfümerie auf dem obersten Regal bewundert.

Denn da wären ja noch die Ideale.
Was ist, wenn man anstatt in geraden Linien lieber in geschwungenen Kreisen denkt?
Wenn die Aufmerksamkeit am Schreibtisch nicht der Excel-Tabelle gilt, sondern der richtigen Schatten unter der fancy Überschrift in der Powerpoint-Präsentation.
Wenn man sich daran erfreut, zum fünften Mal die Rückseite der Kaffeepackung lesen zu können, bevor man wieder den Kopfsprung in die nächste Zahlenkolonne wagen muss – wobei man doch viel lieber die Arschbombe auf dem nächsten Plakat landen würde.

Auf meiner Schulter sitzt sicher kein Engelchen oder Teufelchen. Eher das bräsige, etwas dickliche Nutellaglas mit der Schreibfeder in der Hand und das frisch gebratene Spiegelei mit dem kleinen Taschenrechner.
Macht keinen Sinn? Macht nix. Macht es oft nicht.

Denn die Grundfrage bleibt – dem Idealen folgen oder die Ideale von der Leine lassen?

Vielleicht können sich auch beide am Ende des Tages die Hand geben.
Nicht natürlich, ohne sich vorher kräftig in die Handflächen zu spucken und dabei breit zu grinsen in dem Glauben, der andere habe den herrlich gelben Fleck auf der Innenseite nicht bemerkt.

Überfordert und unterschätzt.

Artikel über meine Generation gibt es viele. Die Alten lassen sich über die Jüngeren aus, die Jüngeren analysieren ihresgleichen und die Jüngsten verstehen die Aufregung nicht.
Und eigentlich bin ich so politisch und gesellschaftskritisch wie ein Gartenzwerg. Aber manchmal muss man eben Partei ergreifen – in diesem Fall für die eigene Generation.

Da wacht man morgens auf, greift zum iPhone neben sich, um die lebenswichtigen Neuigkeiten der Facebookfreunde zu studieren, die sich ganz bestimmt zwischen 02:00 Uhr und 08:00 Uhr ereignet haben.
Und dann springt mir dieser Artikel der „Zeit“ ins Auge: „Generation Maybe hat sich im Entweder-oder verrannt“. Über eben meine Generation. Die ohne Eigenschaften, aber gut ausgebildet, die mit den Möglichkeiten, aber ohne Mut.
Ich selber würde uns als „Zwischengeneration“ bezeichnen. Wir kennen den iPod und die Kassette, wir haben keinen Krieg erlebt, können aber unsere Großeltern fragen. Die Generation vor uns ging auf die Straße, die Generation nach uns bleibt im Fernsehsessel sitzen.

Da sind wir also. Den Uniabschluss in der Tasche, das Leben vor uns. Ganz ehrlich, da kann man schon mal weiche Knie bekommen. Aber nicht, weil wir ja so wahnsinnig viele Möglichkeiten haben, aus denen wir wählen können, sondern weil der Kampf scheinbar immer noch nicht vorüber ist. Bestens ausgebildet, mit Erfahrungen durch Praktika, die alleine schon eine Seite des Lebenslaufs füllen (aber laut einstimmiger Meinung der Personaler nicht länger als zwei Seiten sein dürfen), mit Auslandsaufenthalten und fließendem Englisch, Französisch und Ironisch – die ganz begabten haben auch noch Sarkastisch im Programm.
Und dann bewerben wir uns um den Traumjob, denn schließlich haben wir ja lange genug die Schulbank gedrückt. Und dann geht das ganze Theater von vorne los! Man fühlt sich wieder in die Zeit zurück versetzt, als man den NC ausrechnete und insgeheim hoffte, dass der Banknachbar ein dezent schlechteres Abi schreibt, um nicht die eigenen Chancen zu minimieren.

Und jetzt?! Die Bewerbung in Papierform, in der man vielleicht noch ein interessantes Deckblatt gestalten könnte, um sich mit einem schimmernden neon-beige aus der grauen Masse der 400 Mitbewerber hervorzuheben, gibt es nicht mehr.
Wir sitzen vor einer Website und geben nüchtern unsere Lebens- und Erfahrungsdaten in die dafür vorgesehenen Felder ein – für einen Beruf, der laut Ausschreibung Kreativität und Persönlichkeit erfordert. Und welch Ironie, wenn anschließend die firmeneigenen Suchmaschine die Bewerber aufgrund von Noten oder fehlenden Praktika aus dem Prozess kickt.
Sollte man dann doch zu den Glücklichen gehören, darf man sich freuen, gleich wieder in die nächste Prüfungssituation gebeten zu werden. Nun einen online-Test absolvieren, denn die eierlegende Wollmilchsau soll bitte auch noch perfekt in Mathe, Deutsch, logischem Denken und Textverständnis sein – die Persönlichkeit wird mittels standardisiertem Fragebogen abgefragt.
Dies durchlebt, darf man endlich mit einem Menschen sprechen – am Telefon. Mimik und Gestik, das eigene Auftreten oder der persönliche Kontakt werden zugunsten von Effizienz ganz nach hinten in die Reihe gestellt. Aber nein, nicht der Lebenslauf ist nun interessant, nicht der Mensch, sondern die Fähigkeit, die eigenen Punkte der bisherigen Karriere zu versprachlichen.
Und sollte man diese Hürde genommen haben, kommt das Assessment Center. Wieder kein Gespräch zwischen Bewerber und Personaler. Survival of the fittest at its best: Case Studies, Selbstpräsentationen und Postkorbübungen.

Und da fragt sich der geneigte Reporter wirklich, warum wir lieber eine Weltreise machen?

Abgesehen von Fluchtgedanken und Co. machen wir solche Reisen aus drei Gründen:
Erstens: weil wir’s können! Denn wir haben das Glück, mit Eltern gesegnet zu sein, die uns solche Dinge ermöglichen. Die uns fördern und unterstützen. Die ältere Generation konnte das oft nicht, andere Dinge hatten größere Priorität. Aber wir können und wir wollen.
Denn, zweitens: wir sind nicht nur gut ausgebildet, sondern wollen auch über den Tellerrand schauen. Denn was für den einen Betrachter die Flucht vor dem Alltag ist, ist für den anderen die Möglichkeit, sich die ganze gedeckte Tafel anzusehen.
Und der dritte Grund: damit ein Personaler vielleicht doch mal das Individuum sieht, das mehr zu erzählen hat, als der Erfahrungen aus den Praktika.

In diesem Sinne:
Meine Generation ist nicht müde oder eigenschaftslos. Sie braucht nur hin und wieder eine Verschnaufpause vom alltäglichen Bürokrieg.

Qué hora es?

Aus der Reihe „Ina und Aline haben ein goldenes Händchen bei der Domizilwahl“:
Wenn es nicht so traurig wäre, dann könnte man schon fast wieder drüber lachen, aber momentan ist uns eher nach einer Sagrotan-Dusche und zwar einer warmen.

Und so sitzen wir mittags um 14Uhr in Viña del Mar unter einem Heizpilz und schütten uns völlig überteuerten Weißwein hinter die Binde. Was den Preis rechtfertig? Wir vermuten, dass es sich auf den Meerblick zurückführen lässt. Wasser gibt es dort, mehr aber nicht. Zumindest verhindert die dichte Smogwolke über dem Ozean Mehr-Blick. Und nachdem wir uns von einem nuschelnden Taxifahrer mit Hörgerät so richtig über den Tisch haben ziehen lassen, dachten wir, dass wir uns jetzt kräftig unter selbigen trinken. Und da wir auf unserer Reise unser Geld lieber in dubiose Unterkünfte und nicht in Alkohol stecken, reicht oft auch ein Drink aus, um dies zu erreichen.

Aber von Anfang an…
Oder vielmehr, eine fast sachliche Darstellung der Gegebenheiten und Ereignisse, die unseren Chile-Aufenthalt charakterisieren:
Als erstes eine Warnung! Wenn ihr Spanisch lernen wollt… Nicht Chile! Das europäische Ohr ist nicht in der Lage, diesem Dialekt nach drei Wochen Spanischkurs zu folgen. Ein gesprochener Satz hört sich an wie ein Wort, nur das sämtliche Konsonanten unter selbigen Tisch genuschelt wurden, unter den wir uns auch trinken wollten. Wir nicken also und versuchen, selbstsicher zu wirken. Das klappt oft leider so gut, dass unsere Gesprächspartner tatsächlich denken, wir hätten sie verstanden. Und dann fragen sie uns Dinge (das merken wir nicht am Satzbau, sondern entnehmen wir ihren fragenden Gesichtern). Spätestens dann fliegen wir auf, da unsere Antworten meist in gestammelten drei-Wort-Sätzen enden… Aber hey, „Terremoto“ können wir bestellen! Diese mixt der Barmann wie folgt: zwanzig halbliter Plastikbecher auf den Tresen, ein bisschen blass aussehendes Ananas-Eis hinein (was die namensgebende Frucht auch maximal aus dem Chemielabor kennt). Dann die fünf Liter Pulle unfermentierten Wein gleichmäßig darauf verteilen, wobei darauf zu achten ist, dass mindestens die Hälfte über die Bar und die Schuhe der am Tresen stehenden Gäste zu schütten ist. Dann nach belieben noch ein bisschen Fernet Branca oder irgendwas anderes, das die Umdrehungen noch weiter nach oben schraubt, drüber giessen und mit Grenadine hübsch einfärben. Fertig ist der garantierte Kater für den nächsten Tag! Wir wissen wovon wir sprechen und warum der Drink übersetzt Erdbeben und ab dem zweiten nur noch Nachbeben heißt!

Achja, wir lernen Spanisch übrigens in Santiago de Chile. Man hat uns gesagt, es gäbe schöne Berge und Parks um die Stadt herum. Leider kann ich durch den Smog noch nicht mal bis zum Rand meiner Brille schauen, weswegen wir dazu eher keine Meinung haben. Die Brille trage ich übrigens fast täglich, da durch die Luft meine Kontaktlinsen sich panisch am Auge festsaugen und dadurch den Tragekomfort einer Plastiktüte haben.
Santiago ist laut, dreckig und ungefähr so sexy wie der Hamburger Hauptbahnhof. Aber die Snacks sind super! Alle so richtig Figur-freundlich. Von der Teigtasche mit Käse-Schinken-und-Co-Füllung über Fleisch unter Käse auf Pommes mit Spiegelei bis hin zu HotDogs mit zehn Zentimeter Avocadoschicht und drei Litern Mayo – köstlich. Aber wir habe ja ein Fitnessstudio im Apartmentkomplex – zumindest zwei Stepper aus der Zeit, als Opel noch Nähmaschinen hergestellt hat und eine Hantelbank, die nach ihrer letzten Ölung lieber den ewigen Jagdgründen hätte gespendet werden sollen.

Aber, und das müssen wir auch sagen: für unseren Apartment-Vermieter Raúl müssen wir eine Lanze brechen. Der tollste und weltbeste Chilene. Ein Mann, der immer irgend einer neuen Geschäftsidee hinterher jagt, was einfach herrlich mit anzuschauen ist. Aber dabei sich einfach um alles kümmert. Wenn die Telefongesellschaft die Reparatur des Telefons versemmelt, bringt Raúl sein eigenes Handy vorbei. Und falls das nicht ausreicht, kann man auch sein Büro nutzen. Er macht dann auch ein Käffchen. Und wenn man einen PC braucht, huscht der Gute mal eben mit dem Netbook vorbei. Und wenn ein australischer Gast beschließt, mal eben den Jakobsweg in Spanien abzulaufen, kann er auch gerne sein Gepäck für ein paar Monate unterstellen. Und der Knaller (wir wissen bis heute nicht, wie er es macht…): jedes Mal, wenn wir ihn sehen, hat er ein anderes Outfit an. Morgens noch das Hemd und die Jeans. Mittags dann ein legeres Poloshirt und nachmittags das Sportoutfits. Wobei seine enge lange Sporthose einfach immer für Verwirrung bei uns sorgt 😀

Unser Spanischkurs ist auch ein bunter Haufen… Unsere Lehrerin geht lieber demonstrieren als uns zu unterrichten, was schon mal zu heller Aufregung bei den anderen Lehrern sorgt, wenn schnell Ersatz gefunden werden muss. Und da sitzen wir. Mit einer Indonesierin, Anfang 20, die schon seit drei Jahren in Santiago Psychologie studiert und sich jetzt einfach mal dachte, dass es Zeit für einen kleinen Kurs wäre. Oder der Franzose, der seiner schwangeren Frau wegen nach Chile kam. Oder die Ukrainerin, die immer sagt „ich bin eine Giraffe. Mein Hals ist lang, da dauert das immer ein bisschen, bis die Information im Gehirn ist.“ Oder natürlich unserer Lieblings-Australierin, die zuvor fast zwei Jahre in China lebte und die Sprache echt drauf hat, aber in Spanisch nicht so recht den Fuß auf die Erde bekommt. Es könnte daran liegen, dass sie jeden Abend feiern geht – und dadurch die besten Bars kennt, was eine riesen Bereicherung an den Wochenenden ist.

Und so lautet die Erkenntnis des Tages: wir können noch besser die Gedanken des anderen vervollständigen. Wir hassen die Müllabfuhr, die nächtlich jede Stunde eine Ehrenrunde vor unserem Fenster dreht. Noch mehr hassen wir die hupenden Autos (Freunde, ne rote Ampel wird auch durch hupen nicht schneller grün.) Wir haben noch nie so viele Straßenhunde gesehen. Und wir werden sicher den Knoblauchgeruch vermissen, der jeden Abend vom Schnellimbiss unter uns zu uns hoch steigt. Und wir freuen uns auf ein Zuhause mit Heizung – warum sollten chilenische Häuser sowas auch haben, sind ja nachts noch locker kuschelige fünf Grad.

Und ein Auszug aus einer abendlichen Unterhaltung:
Aline: „Früher habe ich liebend gerne „Fange“ gespielt.
Ina schaut ungläubig: „Was ist denn „Fange“?? Bei uns hieß das „Fangen“. Weißt du, mit N. Das klingt doch sonst nach nem halben Wort…“
Aline: „Ach was. Für das N hätten wir im Osten noch mal nen Tag länger anstehen müssen.“

Bula Papageno

Die meisten Reiseberichte von Maria und Max Mustermann klingen in etwa so:
„und dann bin auf diesen oder jenen Berg geklettert, dann bin ich an diesem oder jenem Wahrzeichen vorbei gekommen und habe dann dieses Foto gemacht, auf dem ich mich schief an ein Gebäude lehne und ich dadurch meine kreativ-fotografische Ader sowie meinen sprühenden Witz zum Ausdruck bringe“. Und sie haben absolut ihre Berechtigung. Aber unserer soll folgendermaßen klingen:

Nach einer Schifffahrt auf einer Fähre, auf der in Deutschland nicht einmal mehr Altmetall transportier worden wäre, kommt man auf Kadavu an – eine Insel der Fiji-Gruppe. Von Board schafft man es, nachdem der Gabelstaplerfahrer bemerkt hat, dass die Balken, die er vom Schiff fahren möchte, wirklich breiter sind als das Tor und auch selbst mit allem erdenklichen Zureden nicht kleiner werden wollen – etwa anderthalb Stunden später also.
Und fährt man dann mit dem kleinen Bötchen um fünf weitere Buchten herum, landet man im Paradies.

Den Fahrtwind noch in den Augen, schließt man sie, um den Duft des Meeres einzuatmen. Salzige Luft, vollgesogen mit der schweren Wärme des beginnenden Tages, legt sich in die Lungen und streichelt gleichzeitig das Herz ein wenig. So öffnet man die Augen und sieht die kleine Bucht vor sich, wie sie halbmondförmig ihre Arme ausbreitet. Palmen behüten den Strand, dahinter beginnt der grüne Garten, gesäumt mit den buntesten Pflanzen. Aus dem Boot aussteigen und ankommen. Wieder die Augen schließen und das zarte rot hinter den geschlossenen Lidern genießen, das durch das warm einfallende Sonnenlicht noch mehr Behaglichkeit aufkommen lässt. Das Rauschen des Meeres im Rücken und die Laute der Papageien in den Ohren erkunden wir also unser neues Paradies, was wir für eine Woche unser Zuhause nennen durften – das Papageno-Resort.

Was wurden wir umsorgt… Vier Mahlzeiten und das auch noch zu festen Uhrzeiten. Kurzerhand sind wir gedanklich in unsere Jugend und quasi nach Hause an den mütterlichen Esstisch verfrachtet worden.
Zum Essen wurde nicht gerufen, sondern geschlagen. Die hölzernen Klänge der Trommeln, die von den fijianischen Frauen zu jeder Mahlzeit geschlagen wurden, waren in der ganzen Bucht hörbar. Somit konnte man also weder das Frühstück, das Mittagessen, den nachmittäglichen frisch gebackenen Kuchen, noch das fulminante Abendessen verpassen. Zwischen den Mahlzeiten haben wir uns nach dem Essen immer mit unseren Büchern ganz fleißig auf die Couch gesetzt, um für die Tauchprüfung zu lernen. Buchstützen brauchten wir nicht, denn dafür hatten wir ja unsere prall gefüllten Bäuche.

Und an dieser Stelle wird es dann Zeit, die Hauptpersonen dieser Woche vorzustellen:
Lydia and Elisabeth – die beiden Managerinnen des Resorts. Erstere ehemalige Ärztin aus Kalifornien, zweite eine gebürtige Österreicherin. Elisabeth musste leider nach zwei Tagen Richtung Hauptinsel aufbrechen, sodass wir danach nur noch in den Genuss von Lydias Anwesenheit kamen. Und was für ein Genuss. Ständig lief sie uns über den Weg und hatte stets Zeit für einen kleinen Plausch – ob morgens, mittags, abends, immer bestens gelaunt, ein Mensch, dem die Sonne aus dem Gluteus Maximus scheint! Und wann immer wir sie brauchten, sie war zur Stelle. „Taucherflossen? Hole ich euch! Kajaks? Einfach eins vom Strand nehmen. Bestandene Tauchprüfung? Ich mach‘ dann mal den Sekt auf!“ Knaller!

Unser weiteres persönliches Highlight: Miri, unsere Tauchlehrerin. Die dunkelhäutige Amazone im Sumoringer-Format. Mit einem Befehlston, nachdem jeder Feldwebel stramm gestanden hätte. Und einer anfänglichen Gesprächigkeit, die bei jeder Begegnung die Temperatur im Raum um ein paar Grad sinken lies. Wir verglichen sie nach unserem ersten Tauchgang gerne mit einer Robbe: an Land doch eher unbehände, glitt sie unter Wasser schwerelos dahin – im Gegensatz zu uns. Wir entschuldigen uns hiermit noch einmal in aller Form bei allen Tieren des Korallenriffs, die wir während unserer anfänglich unkontrollierten Tauchgänge in helle Aufregung versetzten. Wir jedoch hatten jedes mal Tränen in den Augen – vor lachen. Denn Miri hatte die Angewohnheit, uns bei den Unterwasserübungen seeeehr nahe zu kommen – wobei sich die Taucherbrille stets voller Inbrunst an ihr Gesicht saugte und die großen Augen durch die hochgeschobenen Wangen ein wenig zusammen gedrückt wurden, während der Rest noch ein wenig „pausbäckiger“ erschien.
Gegen Ende des Kurses wurde jedoch sogar Miri ein wenig warm mit uns und plauderte beim Essen manchmal sogar munter zwei bis drei Sätze hintereinander.

Ein klasse Typ war auch Sivo, unser Kellner. Ebenfalls Körperbau „deutscher Tannenbaum“, konnte man nach seinem betreten des Raumes die Heizung definitiv ausmachen (und he, ich darf solche Witze reißen…). Elfengleich schwang er seinen Astralkörper durch das Esszimmer. Und seine Facebook-Bilder, auf denen er mit Handtasche und pinkem Tuch bewaffnet lasziv in die Kamera lächelt, werden uns immer begleiten. Sivo aber hat ein Herz aus Gold. Der doppelte GinTonic aufs Haus, seine unglaublich süßen deutschen Sätze, die er versuchte, bei jeder Gelegenheit einfließen zu lassen und seine Bemühungen um unser Wohl waren einfach Zucker.

Achja, und last and least (ja, richtig gelesen): die gemeine Stechmücke. Scheinbar haben diese Viecher nicht den Beipackzettel des Insektenschutzmittels gelesen. Deswegen auf diesem Wege: liebe Mücken, dort steht „ihr mögt das Zeug nicht, es schreckt euch ab“. Es wäre also allzu freundlich, wenn ihr euch in Zukunft daran halten würdet. Denn eure Stiche lassen unsere Haut aussehen wie Omas Streuselkuchen und diese fiesen Beulen (ja, Beulen, nicht kleine süße Pünktchen) jucken tagelang so gewaltig, dass selbst die größte Selbstbeherrschung sich spätestens in der zweiten Nacht verabschiedet.

So ging diese Woche, umgeben von vielen lieben Menschen, viel zu schnell vorbei. Das Rauschen des Meeres zum einschlafen, die Bemühungen all der tollen Menschen dort und dieser magische Ort… wir hatten eine grandiose Woche – und kommen uns noch immer jeden Tag näher.

Erkenntnis der Woche: ein Bett auf der Veranda mit Blick auf’s Meer beruhigt selbst Leute mit Bluthochdruck und unter Wasser atmen ist ne ganz schön verrückte Nummer!

Raindrops are falling on my head…

Es gibt sie immer. Diese eine Person. Diese eine Person im Hostel. Diese eine Person im Hostel, die die Säge in der Hand hält – und dabei kontinuierlich an deinen Nerven sägt!
In unserem Fall heißt sie Christine. Naja, eigentlich Christina, aber ihr Vater war während der Namensgebung so betrunken, dass er anstatt eines „a“s ein „e“ ins Formular kritzelte. True Story! Denn Christina mit e erzählt diese Geschichte gleich am ersten Abend jedem. Naja, eigentlich nur ihren Tischgenossen, bei denen ebenfalls zu vermuten war, dass da in der in Kindheit auch mehr als nur die Namensgebung falsch gelaufen ist (wir tippen ja auf ein Feststecken in der analen Phase… Freud würde leuchtende Augen bekommen bei solchen Musterbeispielen…). Jedenfalls sprach unsere Nervensäge vom Nachbartisch mit einer drei Oktaven zu hohen und 50 Dezibel zu lauten Stimme, sodass ein weghören schier unmöglich war.
Christine gehört zu der Sorte Mädchen/Frauen „blond, klein, braun gebrannt (da war sicher auch schon das Solarium vorher im Spiel…) und dem IQ des Käse-Tomaten-Sandwiches, welches wir zu Abend hatten“.
Natürlich war das auch den jungen männlichen fijianischen „Animateuren“ des Hostels aufgefallen. Wir würden auf drei bis fünf Affäre in der letzten Woche tippen. Aline kam auf drei, angesichts der drei Jungs, die ständig unverhohlen ihre Hände an ihrem Körper hatten. Ich tippte auf fünf, da zwei weitere Herren der Schöpfung die ganze Zeit beleidigt in der Ecke standen, während die anderen drei ihre amourösen Gefühle durch ihre Hände abzulenken versuchen. So oder so, ein herrliches Schauspiel.
Schön auch die Art, mit der sie, stets mit einer Zigarette bewaffnet und Pünktchen-Spitzen-ohne-Träger-BH bekleidet, durch den Barbereich hüpfte. Naja, es war schließlich heiß und die Strecke zwischen Cokelight-Automat und ihrem iPhone auf dem Tisch hätte durchaus schnell zu einem adhoc-Nikotinentzug führen können.
Und sollte es dann doch mal passieren, dass einer der Jungs ihr nicht seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte, legte sie sich eben kurzerhand auf den Holztisch in der Sonne und räkelte sich ein wenig. Wie gesagt, es war auch schließlich heiß.

Nach der Bewunderung dieses Schauspiels ging es ein paar Tage später von Nadi nach Suva. Eigentlich war noch ein Abstecher auf eine Nachbarinsel geplant, damit uns bei weiteren Kitestunden das fiese Sportgerät wieder nach Herzenslust durchs Wasser schleifen konnte… Aber nun ja, es kommt, wie es kommt… Und hier kam die Regensaison. Was bedeutet, nicht ein paar Schauer am Tag, sondern 24/7 Tropenregen, unterbrochen durch ein paar Minuten durchatmen. Jedenfalls könnte man durchatmen, wenn nicht gefühlte 500% Luftfeuchtigkeit wären. Wir haben schon überlegt, für unsere nächste Wäsche einfach die Sachen einzushampoonieren und rauszustellen. Das Blöde nur: wir kriegen das Zeug hier nicht wieder trocken. Jedenfalls schlafen wir seit Ankunft stets in kuschelig feuchten Laken. Achja, und ich sehe auf dem Kopf aus, als wäre ich einer misslungenen Königspudel-Zucht entsprungen. Fönen habe ich lange aufgegeben und auch Aline findet sich so langsam mit ihrer Klebefrisur ab (für diesen Satz wird sie mich hassen 😉 ).

Aber Fijianer sind toll! Nur nicht die aller schnellsten. Auf Madagaskar gab’s schon „Mura Mura“, aber hier gehen die Uhren eher rückwärts als langsam…“Fijitime“ nennen die Einwohner das hier. Seit Tagen versuchen wir herauszufinden, wann genau die Fähre nach Kadavu geht (wo es uns ab Mittwoch hinverschlagen wird). Leider hat die Reederei nicht mal eine Internetseite, geschweige denn irgendwelche Kontaktdaten. Das einzige, was man als Info bekommt ist „Mittwoch Abend“. Ahhhhja… Wir gehen laut unseren letzten Informationen von 23:00 Uhr aus. Aber nach deutscher Manier werden wir wahrscheinlich spätestens um sechs Uhr am Hafen sein…
Jedenfalls sehen fijianische Männer nicht schlecht aus. Im Gegensatz zu den Frauen. Da sehen, ehrlich gesagt, die transsexuellen Männer besser aus. Die Grenzen sind hier teilweise auch fließend, da ein mindestens knielanger Rock hier ein vollkommen normales Kleidungsstück für den urbanen Mann ist. Selbst Polizisten am Flughafen trugen weiße Röcke und schwere schwarze Militärstiefel… Naja, rote Pumps hätten wahrscheinlich noch seltsamer ausgesehen…

Erkenntnis des Tages: hier ist es nass. Sehr nass. Das nächste Mal ignorieren wir vielleicht nicht die dezenteren Hinweise des Reiseführers… Nichtsdestotrotz, die Insel ist schön. Jetzt suchen wir nur noch den weißen Sandstrand!

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Gone wis se wind

Ina stürzte sich todesmutig in den Melbourner Chaosverkehr. Von der schmalspurigen Schlagloch-Strasse auf die sechsspurige Innenstadtautobahn. Unser Navigationssystem, welches das letzte Update bekommen hatte als Sextanten noch regelmäßig genutzt wurden, schickte uns diesmal aber nicht in die Wüste, sondern zielstrebig zu unser neuen Unterkunft für die kommende Woche. Schnell war das Gepäck für die Großfamilie Eberz/Kunze aus Apollo geholt und wir wieder auf der pulsierenden Autobahn in Richtung Campervanrückgabestelle. Noch aufregender als die Hinfahrt gestaltete sich die Reise zurück. Nachdem wir das öffentliche Verkehrsnetz Melbournes mehrfach verflucht hatten und gut 4 Stunden damit verbracht hatten von einer Tram in die nächste zu hüpfen, landeten wir wieder bei unseren Gastgebern. Wie zwei Steine fielen wir ins Bett, welches von der Beschaffenheit eher dem Marmorfußboden der Eingangshalle des Hilton glich und schliefen selig bis zum nächsten Morgen. Frisch und munter erkundeten wir den Markt und erstanden neben Nippes und anderem Geröll auch Lamm und Hühnchenspieße für das geplante Barbie am Abend. Caz und Taryn zauberten einen Smoothie für Erwachsene und wir bereiteten Grillgemüse, das Fleisch und meinen gefangenen Fisch, den ich tiefgekühlt aufbewahrt hatte vor. Vollgefuttert und leicht beschwipst philosophierten wir über Erlebtes und das was noch vor uns lag bevor wir wieder völlig erschlagen ins Bett fielen.
Am Frühstückstisch buchten wir dann unseren Kitesurf-Kurs und sahen uns schon mit Wind im Segel und hautengen Wetsuits über das Wasser gleiten. Youtube sollte uns hier wieder in die Welt des Profikitens einführen und auch der liebe Gunnar bereitete uns seelisch und moralisch auf unser Abenteuer vor. So schwer konnte es also nicht sein, schließlich glitten die Kiter alle recht elegant über die Wellen. Weit gefehlt. Am ersten Tag machten wir uns also mit unserem Learner-Kite, der ganze 2 Quadratmeter groß war, und unserem Instructor Guido vertraut. Immerhin konnte Guido deutsch und somit sollten wir nicht an sprachliche Verständnisgrenzen stoßen. Den Kite in der Luft und wir bis zu Hüfte im Wasser – soweit, so gut! Besonders elegant sahen wir mit Schwimmweste und viel zu großem Helm nicht aus, während wir von links nach rechts über das Wasser gezogen wurden. Guide stöhnte jedes mal schmerzlich auf, wenn wir den Kite wieder ins Wasser knallen ließen. Irgendwann hatten wir den Dreh raus und der Kite machte mehr oder weniger was wir wollten und nicht mehr umgedreht. Zwei Stunden und mehrere Bodydrags später fuhren wir stolz wieder nach Hause. Wir hatten einen neuen Sport gefunden, den wir gleichermaßen feierten und in unseren Köpfen manifestierten sich bereits die ersten zukünftigen Freitagnachmittag-Gespräche, wenn wir uns von unseren Kollegen verabschiedeten und auf eine menge Knoten und Gleichgesinnte in St. Peter Ording hofften. Unser zweiter Tag im Neoprenanzug sollte uns allerdings schnell wieder auf den Meeresboden zurückholen. Da Guido keine Zeit hatte übernahm Claudi (ebenfalls eine Deutsche) unsere Unterrichtsstunde und aus dem 2 qm Kite wurde ein 7qm Kite, der uns noch auf dem Boden liegend ordentlich Respekt einflößte. Mit Claudi übten wir erneuten die Bodydrags und versuchten uns an den Kite zu gewöhnen. Anders als beim kleinen Kite hielt ich mich an Ina, die den Kite in der Hand hielt, fest und ich wiederum wurde von Claudi festgehalten. Andernfalls wäre Ina glaube ich ohne mich schon mal nach Fiji vorgeflogen. Diverse Luftlöcher erschwerten zusätzlich die Kontrolle über den Kite und waren wir bei den Unterrichtsstunden zuvor noch kurz davor zu verkünden, dass wir kiten jetzt hauptberuflich machen wollten, so verließen wir dieses Mal recht frustriert den Strand, da alles was wir gelernt hatten irgendwie nicht klappen wollte. An unserem letzten Tag im Wasser begleitete uns Guido wieder und es sollte das erste Mal sein, dass wir ein Board unter die Füße bekamen. Mit einem 6qm Kite bewaffnet schnallten wir uns das Brett unter die Füße und versuchten die ersten Wasserstarts. Wir staunten nicht schlecht, denn es klappte. Erneut beflügelt ließen wir unseren Körper vom Kite aus dem Wasser ziehen und schafften einige Meter bevor wir entweder kopfüber wieder ins Wasser vielen oder den Kite einfach losließen, weil es zu schnell wurde. Das Hochgefühl hielt allerdings nicht lang, denn kurz vor dem Ende unseres Unterrichts durchfuhr mich ein stechender Schmerz im Fuß. Ina startete gerade erneut mit dem Board als ich etwas apathisch zu Guido meinte, dass ich in etwas getreten wäre. Ich hob den Fuß und zog den Neoprenschuh aus. Sonst verspürte ich in jeglichen Gewässern immer Angst vor Haien. Diesmal blendete ich diese Angst trotz des sich rot färbenden Wassers um mich herum aus. Eine Glasscherbe hatte sich knapp 4 cm durch den Schuh und in meine Ferse gebohrt. Guido versuchte sie herauszuziehen, nachdem er mir versichert hatte, dass es sich nicht um die Spitze eines Stachelrochens handelte (bis dahin wussten wir auch noch nicht, dass die sich dort gern im Sand versteckten…) und Ina schrie von weiter vorn, dass sie zu mir wollte, um mir zu helfen. Allerdings wurde sie vom Kite nur von links nach rechts und wieder zurück gezogen. Irgendwie managten wir, dass Guido erst die Scherbe aus meinem Fuß zog und Ina dann den Kite abnahm. Am Strand wurde dann der erste-Hilfe-Kasten gezückt und ich trug zur Unterhaltung der anwesenden Angler und Kiter bei, die meinen Fuß bestaunten.
Wieder zu Hause machten wir eine Auslandsnotfalldiagnose mit meiner Schwester, die uns versicherte, dass man mit einem Druckverband ums Nähen kommen würde. Somit war ich die kommenden Tage außer Gefecht und ließ mich von Ina betüdeln. So endeten unsere letzten Tage nicht wie geplant auf dem Nachtmarkt, für den Melbourne bekannt ist und welcher der größte in der südlichen Hemisphäre ist und auch die WhiteNight, in der ganz Melbourne eine Nacht in allen Straßen feiert, ließen wir gediegen ausfallen und fröhnten stattdessen der riesen Onlinevideothek unserer Hosts.

Erkenntnis des Tages: unser erste-Hilfe-Set von TATONKA war und ist ein absoluter Segen! Wer sich in Hamburg über einen Arbeitsweg von ner halben Stunde beschwert, sollte mal nach Melbourne kommen! Und meine Frau ist die beste Krankenschwester der Welt 🙂

Unter dem Meer…

Marcels Sterneküche aus der Packung erheiterte unseren Abend und füllte unseren Bauch. Das Hühnchen hatte er bereits mariniert gekauft und die Pasta wurde kurzerhand aus der Chinabox gezogen. Geschmeckt hat es aber trotzdem. Mit vollen Bäuchen gingen wir spät ins Bett und wachten morgens mit einem platten Reifen auf. Dieser hatte uns ja bereits zuvor ein paar Sorgenfalten auf die Stirn gezeichnet. Also klopften wir IMG_1430an Marcels Zelt und holten uns die Reifenpumpe (von der Angel bis zur Solarzelle hat er einfach alles). Wir schleppten unseren Van zurück in die Zivilisation und sahen auf dem Weg nach Whyalla unsere ersten lebenden Kängurus. Bis dato hatten alle anderen tief und fest am Straßenrand geschlafen. (Anmerkung der Redaktion: wusste nicht, dass Kängurus auch Winterschlaf machen, und das im Sommer?!). In Whyalla ließen wir vom australischen ADAC den Reifen wechseln und begaben uns auf den Weg nach Adelaide.
Die Adelaide Hills wurden schnell als konkretes Ziel ausgesucht, denn hier wurden, wie auch überall sonst, Weinverkostungen angeboten. Allerdings zusammen mit Schokoladenverkostung. Besser geht’s ja fast gar nicht! Und so genossen wir Valrhona Schokolade und verschiedene „Traubensäfte“ während wir den Blick über das Weingut schweifen ließen.
Voller Glückshormone und etwas beschwipst schlenderten wir im Anschluss noch durch Little Germany, bekannt unter dem Namen Hahndorf und ließen uns den Sauerkrautduft um die Nase wehen. Da kam doch kurz ein bisschen Heimweh auf, auch wenn wir weit ab vom gemeinen stereotypen Sauerkrautesser wohnen.
Und so verabschiedeten wir uns in die letzte Nacht in South Australia, denn morgen brechen wir Richtung Great Ocean Road und somit Victoria auf.

IMG_1254Neuer Tag, neues Glück oder so. Die Great Ocean Road machte ihrem Namen alle Ehre, denn sie war sowohl groß(artig) als auch eine Straße und „Ocean“ gab’s gefühlt von allen Seiten und im Überfluss. Vorbei an Klippen und wilden Gesteinsformationen schlängelten wir uns an der Küste entlang. Ina hielt nach Koalas Ausschau, die wir in den unzähligen Eukalyptusbäumen am Straßenrand vermuteten und ich versuchte immer schneller als die Schulbusse mit asiatischen Hobbyfotografen mit der Spiegelreflex zu sein, die Dank ihrer massiven Teleobjektive aber meistens eh rückwärts den Berg wieder runter rutschten. Zwischen einem der vielen Sehenswürdigkeiten, die von der Natur erschaffen wurden erspähte ich den ersten (und wie sie herausstellen sollte, den einzigen) „wilden“ Koala, der ähnlich wie die von uns gesichteten Kängurus, tief und fest zu schlafen schien. Das ist bei Koalas ja aber nicht verwunderlich, da sie durch die ätherischen Öle aus den Eukalyptusblättern, die sie ausschließlich fressen, den ganzen Tag high sind und deswegen ca. 19 Stunden am Tag schlafen. Dieser kleine Geselle war aber irgendwie anders, denn er umarmte ganz fest die Straße auf der er lag. Nun denn, wir fuhren weiter und landeten 20130222-205648.jpgirgendwann in Johanna wo wir direkt am Strand und unter den Sternen schliefen. Am nächsten morgen wurde20130222-205721.jpg ich von meiner romantischen Ader geweckt und stampfte Personenhohe Buchstaben in den Strandsand. Diese zeigte ich dann voller stolz Ina von einem kleinen Ausguck, den ich vorher ausgemacht hatte. Leider konnte man nicht mal erahnen was dort stand. Daher machten wir unfreiwillig einen kleinen Strandspaziergang und brachen danach Richtung Apollo Bay auf. Hier warteten Seesterne und Stachelrochen auf uns. Die einen klein und süß, die anderen elegant, aber mit knapp 2 Meter Spannweite!

Von dort zog es uns dann recht schnell weiter Richtung Torquay und somit ans Ende der Great 20130222-205949.jpgOcean Road. Noch längst nicht das Ende unseres Roadtrips beschlossen wir in Torquay zu bleiben. Ina buchte für den nächsten Tag einen Surfkurs und ich kaufte mir kurzerhand eine Angel und den passenden Angelschein. Abends musste Ina sich mit einem Buch bewaffnet neben mich auf den Steg setzen während ich einen Fisch nach dem anderen aus dem Wasser zog und somit die gesamte Anglergemeinde unter den Fluss angelte. Meinen großen Fang schenkte ich großzügig den älteren Herren, die von ihren Frauen geschickt wurden, um etwas für das abendliche Grillen zu fangen und die kleinen Fische durfte Ina wieder ins Wasser setzen.

Wenn die eigene Frau morgens um kurz nach neun in einem hautengen Wetsuit vor einem steht, dann kann man ohne weiteres darüber hinwegsehen, dass es quasi noch mitten in der Nacht ist. Und saß ich zwei Stunden breit grinsend am Strand währendIMG_1707 Ina ihre ersten Gehversuche auf dem Surfbrett machte und hielt von der Trockenübung bis zum ersten Stehen alles brav auf der Kamera fest. Lässig saß sie auf dem Brett während links und rechts ein Surfer nach dem anderen ihr zur Hand bzw. zum Board gehen wollten. Einige Videoaufnahmen und 94 Fotos später kam sie wieder an Land und freute sich über die Wellen, die sie gestanden hatte. Da Surfen für mich fern von allen Sportarten ist, die ich für mich passend finde, und Ina vom Angeln jedesmal Narkolepsie bekommt, entschlossen wir uns nach einer Sportart zu suchen, die uns beiden gefiel und die wir auch nach unserer Reise fortführen könnten. Ohne viel Überlegung kamen wir auf’s kiten und machten uns einen Tag später auf den Weg Richtung Melbourne, um unseren Plan in die Tat umzusetzen.

Erkenntnis des Tages: wir werden immer schreibfauler, aber geloben feierlich Besserung! 😉