Da sitzt man nichts ahnend im Regio auf dem Weg nach Hamburg, der Tag schon sehr lang, die Fahrt noch länger, die Laune prächtig.
Und da geschieht es wieder: trotz riesen „fuck off“ auf der Stirn und strategisch sinnvoll platzierter Laptoptasche lässt sich neben mir nun die blondiere Endvierzigerin nieder. Nennen wir sie Magdalena.
Der Sechser im Lotto…
Und dann kommt die Zusatzzahl: nennen wir ihn Frank. Der Gute ist Anfang 50 und tätig in der hiesigen Versicherung, macht ein bisschen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Und Frank möchte plaudern. Das findet Magdalena super.
Ich verkrieche mich dann mal hinter meinem Steven King Roman. Aber nichts da! Obwohl gerade von epileptischen Anfällen, vollurinierten Hosen und panischen Menschen die Rede ist, schweifen meine Ohren und schließlich meine Aufmerksamkeit zu dem platonisch-innigen Pärchen zu meiner linken.
Zur Erklärung: Redeanteil Magdalena 99%, Frank 1%, was sich eigentlich auf gelegentliches „Hm“ beschränkt, natürlich ein total verständnisvolles „Hm“!
Der Seelenstriptease nimmt seinen Lauf.
Nach 5 Minuten: Magdalena erzählt praktisch dem ganzen Waggon von ihrer Affäre mit ihrem nun wieder verheirateten Ex-Mann (jaja, Schuster, bleib bei deinen Leisten). Mir fällt fast das Buch aus der Hand.
Nach 7 Minuten (die Frau redet schnell): es geht weiter mit dem Vergleich ihres vergangenen Ehelebens mit Lady Di und Hannelore Kohl – ich glaube jedoch, dass in Magdalenas Geschichte die Hauptfiguren noch leben…
Nun fallen mir vor Schreck fast die Kontaktlinsen aus den Augen. Wofür ich eigentlich dankbar bin, vielleicht kann man die in die Ohren stopfen.
Nach 10 Minuten: die Vertrauensbasis zwischen Magdalena und Frank scheint nun mehr als innig, es wird also Zeit für wichtige private Geständnisse.
Sie stellt sich nun bildlich und sprachlich vor, wie ihr Leben als Gala-Artikel aussehen würde. Welcher Promi sich da noch eine Scheibe von abschneiden könnte und wer sowieso eigentlichen nix drauf hat.
Ich kapituliere fast, das ist schlimmer als „Mitten im Leben“ mit Frau von der Leyen als Hauptdarstellerin.
Doch dann kommt der beste Satz, gerade als ich meine Buchseiten herausreißen und als Oropax benutzen wollte…
Magdalena:“hach, wenn Sie, lieber Frank, irgendwann mal ihre Memoiren schreiben, gibt es sicher ein Kapitel über unsere Begehung im Zug.
Und überhaupt… wie verrückt wäre das, stellen Sie sich mal vor, wenn jemand die Geschichten aus der Bahn aufschreiben würde.“
ich lach mich weg !!! Sehr gut … wenn „SIE“ wüsste 🙂
Die Arme. Jetzt weiß sie gar nichts von ihrem Glück, dass SIE soeben zur Hauptfigur auserkoren wurde 🙂