Archiv für den Monat Januar 2014

Auffällig ausfällig

Ich habe mit der deutschen Bahn ja nun wirklich schon einiges erlebt… Wir haben uns angenähert, dann wieder die Freundschaft gekündigt und sind irgendwie in einer Zweck-WG gelandet.
Aber wenn die Laune tiefer sinkt als die Außentemperatur in Berlin (-13Grad), dann ist mehr vorgefallen, als dass die Bahn nur mal eben vergessen hat, das Bad in der WG zu durchzuwischen.

So sitze ich im nunmehr zweiten Ersatzzug am heutigen Tag. Um mich herum äußerst fröhliche Gesichter, die lediglich die Aussicht auf eine längere Haftstrafe davon abhält, der nächstbesten Bahnbegleitung ins Gesicht zu springen.
Zwei Zugausfälle… Das muss man verstehen… Der Winter kam dieses Jahr auch wirklich wieder plötzlich – so Ende Januar.
So habe ich mich nach dem letzten Zugwechsel schnell in die 4er-Sitzgruppe mit Tisch gequetscht, nicht ohne genervter Gesicht des Anabolika-aufgepumpten Bundeswehr-Neulings mir gegenüber. Dem netten Kollegen habe ich jedoch schnell klar machen können, dass er entweder schleunigst seine Beine einziehen kann oder ich ihm jeden Zeh einzeln abbeiße. Achja, den Rucksack kann er jetzt aber wirklich nicht auf die Ablage packen, da sind nämlich seine Schuhe drin. (Hä? Die werden doch eh mit der Zahnbürste geputzt…)

Kaum Platz genommen schallte mir die zarte Stimme dieser fast-Abiturientin an mein schon äußerst genervtes Ohr. Unsere zukünftige Bildungselite… Ich schließe dann mal schnell meine private Altersvorsorge ab. Das mit dem Generationenvertrag wird so nix…
So sitzt sie dort nun und telefoniert um ihr Leben, mir ihrer besten Freundin. Vorweg: sie findet alles scheisse. Und sie ist in einer Band. Und dem Schülerrat. Und dort will sie jetzt auch mal so richtig aufräumen. Ist ja schließlich alles scheisse Aber sie hält sich zurück, denn sie ist immer zu böse…
Böse? Sie? Mr Burns aus den Simpsons macht mir mehr Angst…
Noch ne halbe Stunde und ich könnte ihre noch jungen Memoiren schreiben. Achja, sie reist bald in die Staaten – und fragt, ob Hawaii weit weg ist von Kanada. Ich sollte mal das auswärtige Amt anrufen und sich nach dem Visum-Status erkundigen.
Was nun tun, um diese schreiende Bildungslücke mit mangelnder Eloquenz und problematischem Privatleben zum Schweigen zu bringen?

Ich nehme demonstrativ mein iPhone in die Hand und rufe Alines Mailbox an. Und erzähle ihr von meiner Nachbarin – um gleich den Vorschlag zu unterbreiten, sie könnte bei der Lautstärke auch ein Dosentelefon nutzen. Wobei dann wahrscheinlich die Dose vor Scham Rost ansetzen würde…

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Land der Richter und Denker?

Da geistert es durch das große weite Web. Das Video, was irgendwie in letzter Zeit jeder mal gesehen hat. Oder davon gehört. Oder davon gelesen.

Mein liebster Kommentar in der Flut der schreibwütigen Menschen, die wirklich meinen, ihre Meinung hätte Gewicht: „Ein Denkanstoß mit Kalkül also. Nicht mehr – aber auch nicht weniger.“

Wovon die Rede ist? Natürlich von Julia Engelmann, die Poetry-Slammerin, die im Moment die Nation spaltet. Haha, als wenn… Lassen wir also Blinde von Farbe reden und Wortbanausen den Stift in die Hand nehmen. Freie Meinungsäußerung? Auf jeden Fall! Aber doch bitte nicht das vollkommene Über-Stilisieren eines Textes, der eine Meinung wiedergibt. Liebe Kritiker, ja, eine Meinung! Mir ist klar dass in Zeiten von Likes, Clicks und Shares Meinung weniger zählt, sondern es eher angesagt ist, ein ranziges Stück Papier in die Kamera zu halten und darauf zu versprechen, der Schwester seiner besten Freundin ein Kind zu machen, wenn eine Million Likes zusammen kommen.

Im Land der Dichter und Denker wird der Text einer 21 Jährigen teilweise schlimmer verrissen als das Plagiat von zu Guttenberg – und wir reden hier nicht von einer dezent abgekupfterten Doktorarbeit. Sondern von der Versprachlichung von ureigenen Gedanken mit Pop und Charme. Ein Popsong, der sowieso schon ein Cover war, wurde Grundlage für eine weitere kreative Schöpfung, so muss Kunst doch sein – Entwickeln, Erschaffen, Weiterentwickeln. Rechts und Links schauen.

„Ein Weckruf einer gelangweilten Generation“, dazu eher mittelmäßig, schließlich „haben wir das schon besser, ausgereifter, ansprechender“ gehört. Na, das ist doch mal ein Statement! Ein kleiner Rundumschlag für meine ganze Generation, garniert mit der Arroganz, eine Wertung abzugeben, wo überhaupt keine gefragt war. Vielleicht sind wir gar nicht so faul und/oder gelangweilt, sondern wir sehen es nicht ein, über jedes Statement gleich ein volles Glas Löwensenf zu kippen.

Meine konkrete Meinung: Gott wie regt mich das auf, wenn der Mut zu Äußerung und die wachsende Kreativität damit belohnt wird, mal kurz sämtliche Farben beiseite zu legen und einfach nur schwarz/weiß zu betrachten. Im Land der Dichter und Denker sollte Lyrik und Sprache hochgehalten werden, Richter und Henker dürfen gerne ihre Meinung kundtun: Abends am Stammtisch.

Für alle Fälle noch einmal der Links zum Video: http://www.youtube.com/watch?v=R0UIZ5gaKsM

Dienstleistungsbulimie – zum kotzen!

Wenn man momentan so durch die Supermärkte streift, dann wird schnell klar, dass diese Woche nicht der Kalender der Mayas ein Ende hat sondern die maßlose Völlerei des deutschen Bundesbürgers. Anders lässt es sich nämlich nicht erklären das die Gemüseregale genauso bestückt sind wie die Stühle für die FDP im Bundestag. Während sich also Detlef D! Soost halb nackt mit eimeykjusexidotcom perfekt im Januar in jedem Werbeblock positioniert, rennt der Durchschnittsdeutsche zum Penny nebenan, um qualitativ hochwertige Biogurken aus der Folie zu pellen. Denn dann sehen sie auch nur wie die gemeine Gurke von Bauer Carlos aus Papua Neuguinea aus, kosten jedoch nur noch ein Drittel.
Man hält sich also konsequent das ganze Jahr in Summe zwei satte (oder eher nicht so satte, wenn wir ehrlich sind) Wochen an die Vorsätze, die man im GinTonic-Delirium zum Jahreswechsel in die Runde geschmissen hat.
Ich für meinen Teil hatte das Glück den Silvesterabend nicht nur mit meiner wundervollen Frau sondern auch mit einer atem(be)raubenden Mandelentzündung zu verbringen. Somit kam ich erst gar nicht in den Genuss des Deliriums und mir blieb es vergönnt Vorsätze mit wenig Kalorien und noch weniger Nährwert zu erfinden.
Ich will mich aber der Tradition auch nicht erwehren und so grüble ich seit nunmehr zwei Wochen ob meiner Möglichkeiten. Aber wenn sogar Knigge sagt, dass man bis Ende Januar allen noch ein frohes neues Jahr wünschen darf, dann kann ich mir wohl auch etwas Zeit nehmen. Zumal es auch Eindruck schindet, wenn man auf die Frage „Na? Wie lange hast du durchgehalten?“ mit stolz geschwollener Brust verkünden kann „Mitte Februar! Und du?“.
Zurück zum Ideefindungsprozess und zu meiner Muse.
Ich sitze, wie sollte es auch anders sein, auf einem blauen Sitz in Wagen 8 des InterCitys und fahre mit Ökostrom (wenn bei den Gurken schon beschissen wird, dann kann man den Euro wenigstens in das Ökoticket stecken. Ich frage mich allerdings, ob die Nicht-Ökostromfahrer neben mir zwischendurch von ihrem Atomstrom einen Schlag bekommen oder wie die Bahn das eigentlich authentisch verkaufen will? Siebzehn von 259 Fahrgästen haben den Ökostrom bezahlt, der Rest muss schieben! Mh möglich.)
Naja, neben mir sitzt eine ältere Dame – stolze Inhaberin einer BahnCard100 und somit rechtmäßige Gewinnerin meines Mitleids, denn das heißt, dass die Arme noch öfter auf den blauen Sitzen sitzt. Aber mein Mitleid hält sich in Grenzen, schließlich brauche ich auch noch welches für mich selbst. Da ich mich seelisch und moralisch wieder auf einen mitternächtlichen Bummel durch die geschlossene Geschäftsmeile des Düsseldorfer Bahnhofs einstelle, weil mein Zug auf andere Züge wartet und mein Anschlusszug natürlich nicht auf mich. Aber wenigstens ist die suizidale Weihnachtszeit zu Ende und über Valentinsdingenskirchen bleibe ich einfach in Hamburg. Ich dachte eigentlich, dass sich das mit dem „Personenschaden“ erledigt hätte, denn wer legt sich auf die Gleise und wartet 70 Minuten lang bis der ICE, der in Freiburg noch auf einen Anschlusszug warten musste und wegen eines Zugmaschinenschadens auf halber Strecke stehen geblieben ist? Ernsthaft, da war die Bahn schon mal zuverlässiger! Ich habe jedenfalls die „Schadensersatzformulare“ für Verspätungen welcher Art auch immer bereits mehrfach ausgedruckt zu Hause liegen und kann mir dann von den 10€, die ich erstattet bekomme einfach eine neue Druckerpatrone kaufen.
Jedenfalls habe ich mir abgewöhnt mich aufzuregen und beschlossen meine Energie anderweitig sinnvoll zu nutzen. Und da Gewalt gegenüber lebenden oder unbeweglichen Objekten für mich nicht in Frage kommt, habe ich mich entschlossen reich zu werden und die Deutsche Bahn zu kaufen. Ihr fragt euch was ich dann mache? Na nix! Warum auch? Bei einer KundenUNzufriedenheit von 99,9% (die Vaterschaftstests waren bei Brit auch nie volle hundert, daher finde ich es so deutlich seriöser) einen Gewinn von knapp 1,5 Milliarden Euro zu erzielen finde ich schon erstaunlich und für meine Bedürfnisse auch ausreichend. Wenn man allerdings die 35 Milliarden Umsatz gegenüberstellt, dann wäre meine erste Maßnahme die Neubesetzung des Controllings, aber das steht auf einem anderen Blatt.
Und weil ich diesem Vorhaben, es innerhalb von zwei Wochen umzusetzen, realistische Chancen einräume, ist dies mein Vorsatz für 2014.

Sollte das nicht klappen habe ich mir überlegt, sobald mein geliebtes Weib im April wieder in Hamburg ist, nach Berlin zu fahren – natürlich mit dem Fahrrad, ist schneller. Um dort vorm Bahntower einen aufmerksamkeitsstarken 1-Mann-Flashmop auf die Beine zu stellen und mit Hilfe einer aussagekräftigen PowerPointPräsentation allgemeine deutsche Werte und Ansprüche vor zu tanzen.
Es leben die herzliche Freundlichkeit und übertriebene Pünktlichkeit der Deutschen Bahn!

vierundzwanzigster neunter

Heute wandern meine Mundwinkel besonders weit Richtung Kopfende, denn ich bin nicht nur glücklich sondern unsagbar zufrieden.

Vierundzwanzig neunen später stehen wir heute in einem Raum mit Lamellenvorhängen und Topfpflanzen, die ich noch aus Oma Hedwigs Schlafzimmer kenne. Wir sitzen hier mit schwitzigen Händen, einem debilen Grinsen im Gesicht und einer Kopie von verblichenen, mit Schreibmaschine getippten Zeitzeugen unseres ersten Tages auf diesem Planeten.

Und dann lege ich ganz unbewusst meine Hand auf dein Bein und da ist sie wieder, diese Zufriedenheit. Dieser Zustand, der so vielen so schwer zu erreichen scheint und noch schwerer festzuhalten ist, weil er allzu gern aus unserem alltäglichen Gefühlschaos entflieht. Weil er sich nicht zum sondern vom Glück in die Enge getrieben und von der Liebe gemoppt fühlt. Bei uns bedarf es eines Augenaufschlags, einer Berührung oder auch nur eines Gedankens. Ich schaue auf und die quietschige Stimme von Oma Hedwigs Urenkelin, die inbrünstig von ihrer Petersilienhochzeit schwärmt, verstummt. Auf einmal sitzen nur noch wir in diesem Raum mit klinisch toter Tapete und der Auslegware aus den Jubiläumswochen von Roller. Wir sitzen da wo wir in 168 Tagen nervös von einem Bein auf’s andere springen werden. Das nächste Mal, wenn wir hier sitzen, dann tragen wir nicht nur den gleichen Ring und Namen, sondern auch uns für den Rest unseres Lebens.

Dann stehen wir wieder im Flur, auf dem Gang. Zwischen den Toiletten und neben der kroatischen Übersetzung der Beitrittserklärung zur Eheschließung nach deutschem Recht aus dem Prospektspender. Und dann schaust du mich an und sagst mir das ich nach Zuhause rieche. Ich küsse dich, schmecke Heimkehr und Wolken und das Verlangen dich nach 50 Ehejahren noch mit genau dem gleichen Glanz in meinen Augen und dem selben Grinsen im Herzen anzusehen. Mich auf dich verlassen zu können, mit und an dir zu wachsen. Mir sicher zu sein, um mich dennoch mutig in Ungewisses zu stürzen. Klein zu sein, um großes zu leisten. Dich halten, um loszulassen. Mich jeden Tag neu in dich verlieben ohne dich vorher weniger geliebt zu haben. Mit dir einfach einfach sein.

Nach neunundzwanzig neunen waren wir dann oft genug neunmalklug und werden zum Ja-Sager par excellence – zumindest für einen Tag. Und ich freue mich unbändig darauf!