Wir nennen uns liebevoll nur noch „Ernie“ oder „Bert“, weil unsere Augenbrauen schon genauso zusammenwachsen, wie bei den Kollegen der Sesamstraße. Oder Yeti, denn ähnlich behaart sind unsere Beine mittlerweile.
Yeah, wir sind auf Campingtour quer durchs Land! Von Perth nach Melbourne, mit ein paar Schleifen an der Küste, circa 4.000 Kilometer.
Und weil Benzin mit zwei Dollar pro Liter plus ein „luftdurchlässiger“ Reifen, der für reichlich Widerstand sorgt, uns ein ordentliches Loch in den Geldbeutel fressen, wird eben wild gecampt. Oder auf einfachen Campingrounds übernachtet, die maximal eine Toilette oder kalte Dusche haben. Und dann wird eben morgens am Hafen der Kopf unter den nächsten Wasserhahn gehalten und zur Irritation der einheimischen Fischer die Haare gewaschen.
Toll ist aber, dass meine Mum zu Weihnachten mit einem iPad beschenkt wurde und uns nun jeden Abend mit Kängurus in Liegestühlen, süßen Katzen unter riesen Hundeohren oder anderen Tieren, die uns stets ein „ohhhhh“entlocken, virtuell eine gute Nacht gewünscht wird.
In Dunsborough trafen wir Clea und Reto, mit ersterer teilte ich zeitweise in Hamburg die Wohnung und das Leben – letzteres noch immer. Zu viert plus unsere „Guidin“ ging’s mit Kajaks aufs Wasser, um Delphine unter unseren Booten durchschwimmen zu lassen. Auch eine leicht vermasselte Masterarbeit und daraus resultierende große Missmutigkeit und Traurigkeit konnte die Freude, ein Stück Heimat in der Welt zu treffen, nicht schmälern.
Auf unserer Weiterfahrt durch den südlichen Westen Australiens fuhren wir natürlich auf Anraten eines flüchtigen Bekannten aus Ingrids Domizil auch nach Denmark, da man dort so ziemlich alles probieren konnte was angebaut und verarbeitet wurde. Und noch von Jannosch und Franzmann geprägt ließen wir uns demnach die kostenfreien Geschmacksproben jeglicher Art nicht entgehen. Aufgrund einer kleinen Magenverstimmung verzichteten wir jedoch auf die Weinverkostungen und fuhren direkt zur Schweizer Schokoladenmanufaktur (macht ja auch voll Sinn in Australien). Demnach hatten wir extra auf das Frühstück verzichtet und wollten uns den Bauch mit Süßkram vollschlagen. Schon beim Betreten kam uns ein leichter Schokoladenduft entgegen. Kurzerhand später auch die Verkäuferin. Wir schlichen bedächtig um die kleinen Regale auf der Suche nach den Probeschälchen. Wie alle Australier versuchte auch die Verkäuferin gleich mit uns ins Gespräch zu kommen und fragte, ob wir gerade vom Schwimmen kämen. Leicht irritiert verneinten wir dies und erklärten, dass wir letzte Woche das letzte mal am Strand gewesen wären. Damit aber nicht genug und man hätte es auch einfach dabei belassen können… Aber nein, sie versuchte sich zu rechtfertigen, nachdem Aline fragte wie sie darauf käme. Ihre Haare würden noch nass aussehen.
Mit betretenem Schweigen verließen wir den Laden – da wäscht man sich mal einen Tag die Haare nicht und schon sieht man aus, als hätte man den Kopfsprung in die Fritteuse gewagt. Anschließend brachen wir in Tränen aus – vor lachen. Halb wiehernd, kreischend und mit hochroten Köpfen fuhren wir zum nächsten Ziel. Diese Situation war einfach zu gut gewesen…
Aber ein paar Kilometer weiter wurden wir weder auf unsere Pommesfrisur noch unsere Badegewohnheiten angesprochen, sondern bekamen vom traditionellen Toffee bis hin zum Mangotoffee alles in den Mund geschoben.
Anschließend ging’s zu einer Farm, auf der man Koalas und Kängurus streicheln konnte, erstere stinken wie ein Rudel läufiger Füchse… Danach ging’s zu den Alpakas. Neben uns stand eine Familie mit zwei kleinen Kindern, die große Augen machten, als „Macho“, das männliche Alpaka, seiner Liebe zu seiner weiblichen Artgenossin körperlichen Ausdruck verlieh. Erklärungen wir „die üben Bockspringen“ und darauf folgende Kommentaren der Kinder wie „die können das aber nicht sehr gut“, sorgten zum zweiten Mal an diesem Tag für reichlich Erheiterung bei uns.
Als wir die vielen hundert Kilometer quer durch Australiens „Nichts“ zurück gelegt hatten, landeten wir in Whyalla. Der Weg dorthin war gesäumt mit am Straßenrand liegenden Kängurus – wir redeten uns ein, dass sie nur ein kurze Nickerchen in der Sonne halten würden… Achja, wir sind die Strecke übrigens im Pyjama gefahren. Eigentlich wollten im Adamskostüm durch die Wüste zockeln, das erschien uns dann jedoch angesichts der beträchtlichen Anzahl von Vorgängern unseres Vans dann doch ein wenig unangenehm.
Also, Whyalla, eine Stadt, die wegen der metallverarbeitenden Industrie besteht. Nur leider nicht den Charme der Geschichts-trächigeren Verwandten des deutschen Ruhrpotts besitzt. Also flüchteten wir an den Strand. Und trafen ihn! Marcel! Den 65 jährigen Franzosen, der schon seit über 30 Jahren in Australien lebt, drei Mal verheiratet war (die letzte Ehe hielt stolze fünf Monate) und seit zehn Jahren nur noch mit dem Camper durchs Land zieht – nachdem er seine sieben Restaurants verkauft und seiner damals zweiten Frau das Haus geschenkt hatte (viele Zahlen, aber der Mann ist uns ja auch ein Rätsel). So saßen wir am Abend mit ihm am Campervan und tranken Wein aus einem Tetrapack mit integriertem Zapfhahn (und das bei einem französischen Koch). Spannend war’s trotzdem, auch wenn man die Geschichten recht bald kannte. Denn Marcel hat die Gedächtnisspanne eines Goldfischs und wiederholte sich im Stundentakt. Nachdem wir ihm abends erzählt hatten, dass ich keinen Fisch mag, war er am nächsten morgen äußerst erstaunt, dass ich keine Krebse zum Abendessen wollte.
Wir sind gespannt, ob er sich nachher noch an das Soja-Hühnchen erinnern kann, was er uns vorhin zum Abendessen versprochen hat.
Erkenntnis des Tages: im Dunkeln ist gut munkeln mit Furunkeln.