Artikel über meine Generation gibt es viele. Die Alten lassen sich über die Jüngeren aus, die Jüngeren analysieren ihresgleichen und die Jüngsten verstehen die Aufregung nicht.
Und eigentlich bin ich so politisch und gesellschaftskritisch wie ein Gartenzwerg. Aber manchmal muss man eben Partei ergreifen – in diesem Fall für die eigene Generation.
Da wacht man morgens auf, greift zum iPhone neben sich, um die lebenswichtigen Neuigkeiten der Facebookfreunde zu studieren, die sich ganz bestimmt zwischen 02:00 Uhr und 08:00 Uhr ereignet haben.
Und dann springt mir dieser Artikel der „Zeit“ ins Auge: „Generation Maybe hat sich im Entweder-oder verrannt“. Über eben meine Generation. Die ohne Eigenschaften, aber gut ausgebildet, die mit den Möglichkeiten, aber ohne Mut.
Ich selber würde uns als „Zwischengeneration“ bezeichnen. Wir kennen den iPod und die Kassette, wir haben keinen Krieg erlebt, können aber unsere Großeltern fragen. Die Generation vor uns ging auf die Straße, die Generation nach uns bleibt im Fernsehsessel sitzen.
Da sind wir also. Den Uniabschluss in der Tasche, das Leben vor uns. Ganz ehrlich, da kann man schon mal weiche Knie bekommen. Aber nicht, weil wir ja so wahnsinnig viele Möglichkeiten haben, aus denen wir wählen können, sondern weil der Kampf scheinbar immer noch nicht vorüber ist. Bestens ausgebildet, mit Erfahrungen durch Praktika, die alleine schon eine Seite des Lebenslaufs füllen (aber laut einstimmiger Meinung der Personaler nicht länger als zwei Seiten sein dürfen), mit Auslandsaufenthalten und fließendem Englisch, Französisch und Ironisch – die ganz begabten haben auch noch Sarkastisch im Programm.
Und dann bewerben wir uns um den Traumjob, denn schließlich haben wir ja lange genug die Schulbank gedrückt. Und dann geht das ganze Theater von vorne los! Man fühlt sich wieder in die Zeit zurück versetzt, als man den NC ausrechnete und insgeheim hoffte, dass der Banknachbar ein dezent schlechteres Abi schreibt, um nicht die eigenen Chancen zu minimieren.
Und jetzt?! Die Bewerbung in Papierform, in der man vielleicht noch ein interessantes Deckblatt gestalten könnte, um sich mit einem schimmernden neon-beige aus der grauen Masse der 400 Mitbewerber hervorzuheben, gibt es nicht mehr.
Wir sitzen vor einer Website und geben nüchtern unsere Lebens- und Erfahrungsdaten in die dafür vorgesehenen Felder ein – für einen Beruf, der laut Ausschreibung Kreativität und Persönlichkeit erfordert. Und welch Ironie, wenn anschließend die firmeneigenen Suchmaschine die Bewerber aufgrund von Noten oder fehlenden Praktika aus dem Prozess kickt.
Sollte man dann doch zu den Glücklichen gehören, darf man sich freuen, gleich wieder in die nächste Prüfungssituation gebeten zu werden. Nun einen online-Test absolvieren, denn die eierlegende Wollmilchsau soll bitte auch noch perfekt in Mathe, Deutsch, logischem Denken und Textverständnis sein – die Persönlichkeit wird mittels standardisiertem Fragebogen abgefragt.
Dies durchlebt, darf man endlich mit einem Menschen sprechen – am Telefon. Mimik und Gestik, das eigene Auftreten oder der persönliche Kontakt werden zugunsten von Effizienz ganz nach hinten in die Reihe gestellt. Aber nein, nicht der Lebenslauf ist nun interessant, nicht der Mensch, sondern die Fähigkeit, die eigenen Punkte der bisherigen Karriere zu versprachlichen.
Und sollte man diese Hürde genommen haben, kommt das Assessment Center. Wieder kein Gespräch zwischen Bewerber und Personaler. Survival of the fittest at its best: Case Studies, Selbstpräsentationen und Postkorbübungen.
Und da fragt sich der geneigte Reporter wirklich, warum wir lieber eine Weltreise machen?
Abgesehen von Fluchtgedanken und Co. machen wir solche Reisen aus drei Gründen:
Erstens: weil wir’s können! Denn wir haben das Glück, mit Eltern gesegnet zu sein, die uns solche Dinge ermöglichen. Die uns fördern und unterstützen. Die ältere Generation konnte das oft nicht, andere Dinge hatten größere Priorität. Aber wir können und wir wollen.
Denn, zweitens: wir sind nicht nur gut ausgebildet, sondern wollen auch über den Tellerrand schauen. Denn was für den einen Betrachter die Flucht vor dem Alltag ist, ist für den anderen die Möglichkeit, sich die ganze gedeckte Tafel anzusehen.
Und der dritte Grund: damit ein Personaler vielleicht doch mal das Individuum sieht, das mehr zu erzählen hat, als der Erfahrungen aus den Praktika.
In diesem Sinne:
Meine Generation ist nicht müde oder eigenschaftslos. Sie braucht nur hin und wieder eine Verschnaufpause vom alltäglichen Bürokrieg.