Archiv für den Monat Februar 2014

Entdecke den Spießer in dir

Jetzt ist es soweit: Ich bin offiziell ein Spießer geworden.

Es ist mir nicht mehr peinlich, Toilettenpapier zu kaufen. Ich gehe erhobenen Hauptes in den Laden und erfreue mich erst einmal an der riesen Auswahl. Und dann stehe ich – weiterhin erhobenen Hauptes – an der Supermarktkasse und warte darauf, bezahlen zu dürfen. Und ich habe nur diesen einen Artikel. Ich brauche keine Alibi-Artikel mehr drum herum. Keine Süßigkeiten, keine Putzmittel, nichts. Ich ziehe das so durch. Wie gesagt, erhobenen Hauptes. Ich schaffe es anschließend sogar, meine neu erworbene Errungenschaft durch die Fußgängerzone zu tragen – ohne Tüte drum herum. Ich bin stolz drauf – auf meine vier Lagen!

Und dann kommt der Moment, an dem ich vor Augen geführt bekomme, wie verdammt spießig ich doch geworden bin. Ich habe zuhause freudestrahlend die erste Rolle aus der Verpackung genommen und mir extra schon mal Teewasser aufgesetzt – schließlich funktionieren Produkttests am lebenden Objekt einfach am besten. So nehme ich also diese Rolle in die Hand und bleibe verdutzt stehen… Das sollen vier Lagen sein? Das ist ja schon so ein Prinzipien-Ding… Drei sind mir einfach zu wenig, das fühlt sich an wie früher auf dem Schulklo. Mit diesem grauen Recyclingzeug, was so saugfähig war wie eine Plastiktüte. Und fünf Lagen finde ich dann doch too much, da bekomme ich ein schlechtes Gewissen dem Regenwald gegenüber. Also, vier Lagen: solide, und doch ein wenig luxuriös.

Zurück zur Geschichte: Ich stehe dort, mit meinen vier Lagen in der Hand, und bin verdutzt. Das fühlt sich maximal an wie drei. Ich schaue noch einmal auf die Verpackung. Tatsächlich, vier Lagen. Aber anstatt mich mit der Werbebotschaft auf der roten Packung zufrieden zu geben… was tue ich? Ich nehme mir ein Blatt vor und zähle durch! Und tatsächlich, vier Lagen. Aber sie erscheinen mir reichlich dünn. Sofort musste ich an die Chemiewaage aus der Oberstufe denken. Die war so fein, die hat sogar reagiert, wenn man drauf gepustet hat. Ich war wirklich kurz versucht, meine alte Chemielehrerin zu kontaktieren.

Ich überlege nun also, den Weg eines jeden mündigen Verbrauchers zu gehen: Die Kundenhotline. Aber dafür bin ich, glaub ich, noch nicht genug Spießer. Ich sollte noch mehr Toilettenpapier kaufen gehen…

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