Auf den Verzicht auf Internet hatten wir uns bereits direkt nach unserer Ankunft in Madagaskars Hauptstadt eingestellt. Doch auf was wir alles während unserer Reise durch das Land würden verzichten müssen, war uns zu diesem Zeitpunkt bei Weitem noch nicht klar. Was wir wussten war, dass wir das Land und vor allem die Leute kennenlernen wollten. Nicht so viel Touristenchichi, sondern mehr Kultur. Mit diesem Vorhaben im Kopf ließen wir uns ein paar Angebote von privaten Guides machen. Nach Kurzem stand fest wie, was, wann und wo und unser Bauchgefühl entschied sich für einen der Führer. Naja, jedenfalls stand das Grobe fest… Die gute alte Sprachbarriere war auch wieder mit von der Partie.
Da uns dieser Trip viele Nerven gekostet und uns einiges abverlangt hat, werden wir in mehreren Teilen davon berichten, damit ihr einfach mehr davon habt 🙂
Perfekt zum Nikolaus ging es also am 06. mit frisch geputzten Schuhen los. Wie immer begann unser Tag bereits um 6 Uhr (warum wir hier schon so früh und ohne Probleme aus dem Bett kommen wissen wir immer noch nicht). Rucksäcke und alles Hab und Gut rein in den Kofferraum eines klapprigen Peugeot. Für den Ersatzreifen war nun leider kein Platz mehr. Wir fühlten uns ein wenig wie Drogendealer, als wir die gut 2 Millionen Ariary in einer schwarzen Plastiktüte nach vorn auf den Beifahrersitz schoben. Aber so macht man das hier, denn sonst wechselt das Geld schneller den Besitzer als man gucken kann. Nachdem wir also unseren Guide bezahlt hatten, verließen wir Antananarivo zusammen mit unserem Fahrer Néné und unserem Guide Naina. Zwei wildfremde Menschen, ein knarzender Klapperkasten mit Slicks (hierzu der passende Wikipedia-Auszug: Ein Slick (engl. für „glatt“) ist ein profilloser Reifen, der bei richtiger Temperatur aufgrund seiner sehr haftfähigen Laufflächenmischung für Einsätze auf trockenen oder leicht feuchten Straßen geeignet ist – normalerweise im Rennsport. Eine wichtige Kenngröße ist die Temperatur. Diese muss in einem passenden Bereich bei ca. 80 °C – und damit höher als bei einem normalen Pkw-Reifen – liegen. Darunter hat ein Reifen nur geringe Haftung.) und wir zwei mal wieder mittendrin. Wir sollten aber erst später herausfinden, dass unser Fahrer gern Formel1 Basecaps trug und auch dementsprechend fuhr…
Als erstes stand Antsirabé auf unserer Liste. Es handelt sich hierbei um die zweitgrößte Stadt des Landes und nicht etwa um einen Darmvirus, aber auch dazu später mehr. Auf den circa 170km, die wir auf der Route National 7 (der einzigen geteerten Straße der Insel) zurück legten, kamen wir durch viele verschiedene Dörfer, deren Bewohner alle etwas besonderes „konnten“. Die ersten konnten besonders gut mehrere Ananas übereinander stapeln, die nächsten konnten Giraffen aus Stroh basteln und eines der Dörfer war für ihre Produktion von Aluminiumsachen bekannt. Wir erwarteten eine kleine Fabrik. Weit gefehlt. Wir liefern durch eine Ruine, die wohl als Wohnzimmer diente und stießen im Hinterhof auf einen Mann, der in einem kleinen Verschlag im Staub saß und uns angrinste, während er flimmernden schwarzen Sand durch seine Finger rieseln lies. Mit Dreck, Staub und Kohle bewaffnet bastelte er Gussformen, die schon ein paar Minuten später Topf und Deckel hervorbrachten. So stellte er Pferdefiguren, Tassen, Flaschenöffner und sogar Knoblauchpressen und die Figuren für Tischfußball her. Ordentlich beeindruckend.
Danach ging es weiter, vorbei an Reisfeldern, soweit das Auge sah. Und vielen hart arbeitenden Frauen und Männern, die jede einzelne Pflanze per Hand einsetzten. Typisch mitteleuropäisch haben wir uns erkundigt, was die Arbeiter denn so verdienen. Einen etwas erstaunten Gesichtsausdruck später erklärte uns Naina, dass sie natürlich nicht für Geld arbeiten, sondern damit ihr Dorf ernähren. Und sollte mal etwas übrig bleiben, wird es eben als Tauschware gegen andere Güter eingesetzt. Verrückt…
Verrückt auch durchaus die ein oder andere Art der Fortbewegung. An den Anblick von Zebu-Karren gewöhnten wir uns recht schnell. An junge Männer auf dem Fahrrad, die sich einfach am Heck eines kleinen 40 Tonnen schweren Lastwagens festhielten und sich so die Berge hochziehen ließen, eher nicht so schnell.
Nach vier Stunden in Antsirabé angekommen, ging es nach einem Mittagessen (Reis, was sonst…) zum Hotel. Wir waren angenehm überrascht. Ein kleiner Bungalow in einem wunderschönen Garten. Mit Palmen vor der Tür und etlichen kleinen Bächlein, die sich durch das Gelände zogen. An den üblichen kleinen Schimmel in der Dusche und der Tatsache, dass das „Bad“ bloß einen Vorhang für die Privatsphäre hatte, hatten wir uns schon gewöhnt.
Danach wieder ins Auto und die Stadt erkunden. Sie ist ebenso arm wie das ganze Land. Menschen, die wie vor einen Karren gespannt andere Menschen von A nach B ziehen. Winzigen Hütten und Bretterverschläge, in denen sämtliche Mitglieder einer Familie zusammen wohnen. Dreck und Staub überall, Menschen mit wenigen Zähnen, bieten Fleisch an, was in der Sonne schon gegart wurde.
Weiter ging es zu einem kleinen Künstler, der uns zeigte, wie man aus alten Getränkedosen und Telefonkabeln ein Miniatur-Fahrrad bastelt. (Klar mussten wir eines mitnehmen…) Weiter ging es zu einer Familie, die aus Zebu-Horn alle möglichen Gegenstände herstellte. Uns wurde der komplette Prozess gezeigt. Und auch hier zeigte sich wieder eine Einfachheit, wie sie in Deutschland kaum denkbar wäre. Um das Horn zu schleifen, wurde ein alter Waschmaschinenmotor verwendet. Kurz einen Metallstab reingesteckt, eine Frässcheibe aus dem Boden einer alten Metalltonne festgeschraubt und los ging’s. Zum Polieren wurde alter Jeansstoff verwendet – die Hose dazu lag noch in der Ecke, durchlöchert wie ein Schweizer Käse.
Auch hier mussten wir wieder etwas mitnehmen…
Danach auf einen Markt. In einem alten Stall waren mit wenigen Brettern die Stände zusammen gezimmert. Gerüche, die uns abwechselnd den Schweiß auf die Stirn, die Tränen in die Augen oder den Ekel in den Hals trieben. Wieder Fleisch, nach dem sich eine Horde Fliegen schon genüsslich die Flügel rieb, daneben Fisch im selben Zustand. Ebenso Gemüse, Obst und einfach alles, was man sonst noch brauchen könnte.
Anschließen ging es wieder ins Hotel, den Tag auf uns wirken lassen. Ein kleines Abendessen. Unsere erste Feststellung: Zebu-Milch schmeckt wie ein Schaf, das man auf der Weide vergessen hat. Und flockt so zart wie fünf Tage alte Dosenmilch.
Anschließend genossen wir den ersten Abend unter dem Moskitonetz, in den Schlaf gewogen durch das zarte Rauschen der Toilettenspülung, die einfach keine Ruhe geben wollte. Aber wenn man die Augen schloss und es sich ganz fest vorstellte, konnte man fast glauben, es wäre ein Bächlein, was am Zimmer vorbei fließt.
Erkenntnis des Tages: War Südafrika für uns noch kontrastreich, so ist es Madagaskar kaum. Zumindest was Städte oder viel mehr Dörfer betrifft. Prangte in Südafrika neben der Wellblechhütte eine kleine Villa hinter dem Starkstromzaun, so ist der einzig erkennbare Unterschied hier, ob die Hütte aus Ziegelsteinen oder Lehm ist. Meist jedoch um einiges simpler aus Bambus und Stroh. Dafür ist die Landschaft umso kontrastreicher! Der WOW-Effekt in Südafrika blieb größtenteils aus, holte uns in Madagaskar dafür aber doppelt wieder ein.